Schrumpfkopf

Nicht datierte menschliche Überreste und Pflanzenfasern unbestimmter Herkunft.

Eine Tsantsa ist keine gewöhnliche Trophäe. Sie ist keine Jagdtrophäe und dient auch nicht wie ein Amulett der Anrufung von bestimmten Geistern oder Vorfahren. Ihre Faszination besteht nicht allein in ihrer exotischen Wirkung sondern auch in ihrer Herstellungsweise, welche aufgrund von Missverständnissen abstoßend wirken kann. Ihre Bedeutung ist vielschichtig. Es handelt sich um einen statischen, möglicherweise dekorativen Gegenstand, der mit seiner ursprünglichen Funktion jedenfalls nichts mehr zu tun hat. Eine Tsantsa stammt von einem Individuum - einem Menschen - und muss daher mit dementsprechendem Respekt behandelt werden. Die Kopfjagd hat ihren Ursprung in der Kultur der Jivaro in Amazonien. Im Übrigen wird der Begriff „Jivaro“ von den Einheimischen abgelehnt und sehr schlecht aufgenommen, da dieser aus dem Spanischen kommt und so viel wie „wild“ oder barbarisch“ bedeutet. Die Kopfjagd steht in Verbindung mit einer bestimmten Kriegsform der Jivaro - dem Stammeskrieg. Ziel dieser Kriegsform ist es, sich die Macht anderer Stämme zu eigen zu machen und im wahrsten Sinne des Wortes den Wohlstand und die Fruchtbarkeit des eignen Stammes sicherzustellen. Das Ritual der Kopfjagd zielt darauf ab, Identitäten von Nichtstammesmitgliedern, also von gefangenen und enthaupteten Feinden, zu sammeln. Auf diese Art und Weise können innerhalb eines Stammes neue Identitäten gebildet werden. Diese neuen Identitäten sind die noch ungeborenen Kinder. Die Kopfjagd verbindet so den Tod mit Fruchtbarkeit und Fortpflanzung.

Diese in Jehay aufbewahrte Tsantsa wurde noch nie in einem rituellen Kontext verwendet und ist eine von hunderten - ja, tausenden - in Amerika hergestellten Schrumpfköpfen, die über die Ozeane verschifft wurden, damit westliche Sammler diese schließlich bei sich ausstellen konnten. Durch die üppige Haarpracht und die Haarstruktur der Tsantsa lässt sich zweifellos eine Verbindung zu Subsahara-Afrika erkennen. Der Schrumpfkopf wurde daher aus den Überresten eines Sklaven oder dessen Nachfahren gefertigt. Bis die Sklaverei in Brasilien 1888 endlich abgeschafft wurde, hat sie dazu geführt, dass mehrere Millionen von Menschen afrikanischer Herkunft gezwungen wurden, ihre Heimat zu verlassen. Selbst nach ihrer Befreiung aus der Sklaverei begegnete man den Afrikanern, ihren Nachkommen und den Mestizen, die auch „Mulotten“ genannten wurden, weiterhin mit Verachtung. Armut, Ausbeutung und Ausgrenzung standen an der Tagesordnung. Diese in Jehay aufbewahrte Tsantsa spiegelt somit eine schreckliche und komplexe Geschichte wider.